EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat bei der 54. Münchner Sicherheitskonferenz seine Forderung nach einer effizienteren europäischen Verteidigungspolitik bekräftigt. „Wir waren lange Zeit nicht weltpolitikfähig. Und die Umstände bringen es mit sich, dass wir uns um Weltpolitikfähigkeit bemühen müssen“, sagte Juncker. In der Außen- und Sicherheitspolitik müsse die Europäische Union sich vom Einstimmigkeitszwang befreien und zu Mehrheitsentscheidungen kommen, um handlungsfähig zu bleiben.
In der europäischen Verteidigungspolitik habe es in den letzten Jahrzehnten oft Bemühungen für ein koordiniertes Vorgehen gegeben. „Aber wirkliche Fortschritte hat es keine gegeben. Jetzt gibt es Fortschritte, und diese Fortschritte sind auch notwendig und die Zahlen sprechen für sich“, sagte Juncker.
Mit Blick auf das zersplitterte Beschaffungswesen in der EU im Vergleich zur USA betonte Juncker: „Unsere amerikanischen Freunde geben das Doppelte dessen aus, was die europäischen Verteidigungsbemühungen rein haushälterisch betrachtet auf die Beine bringen. Trotzdem sind die Europäer nur zu 15 Prozent so effizient wie unsere amerikanischen Freunde. Wir müssen also das Beschaffungswesen deutlich vereinfachen und verbessern. Wir haben bis jetzt in Sachen Forschung 90 Millionen Euro für die Jahre 2018 und 2019 in Aufstellung gebracht. Wir werden diese Summe deutlich nach oben korrigieren – bis 2020 werden wir 590 Millionen Euro aufstellen. Und da müssen die Mitgliedstaaten Hand mitanlegen. 80 Prozent der militärischen Forschungsaufgaben finden auf exklusiv nationaler Ebene statt. 90 Prozent die Ausrüstung betreffend findet nur national statt. Wir müssen also hier über die Grenzen effizienzsteigernd wirken und das Beschaffungswesen in der Europäischen Union deutlich verbessern.“
Kritik, sich von der NATO abspalten zu wollen, wies Juncker zurück: „Ich halte die NATO nach wie vor für ein Projekt, an dem wir auch wegen der Interessenlage künftiger Generationen strikt festhalten müssen. Wir tun mehr, weil wir mehr tun müssen. Wir müssen selbst was tun, um unsere Sicherheitsinteressen wahren zu können; und das möchten wir auch tun. Aber das findet nicht gegen die NATO satt. Der Europäische Vertrag legt fest – in klaren deutschen Hauptsätzen –, dass NATO und Europäische Union komplementär sein müssen. Und das werden sie auch bleiben.“
„Wenn wir aber weltpolitikfähig werden wollen, dann müssen wir auch unsere Entscheidungsprozesse vereinfachen und vereinheitlichen“, sagte Juncker. „Diese Einstimmigkeit, dieser Einstimmigkeitszwang hält uns davon ab, Weltpolitikfähigkeit zu erreichen. Die Europäische Union findet keine einheitliche Position, was die Probleme im südchinesischen Meer anbelangt; wir finden keine einheitliche Position, wenn es um Menschenrechte in der Volksrepublik China geht; wir finden keine einheitliche Position in der Jerusalem-Frage – ergo müssen wir diese Entscheidungswege vereinfachen, dadurch, dass wir auch zu Festlegungen, die mit qualifizierter Mehrheit zu treffen sind, in der Europäischen Union kommen.“