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21 10 07 Antisemitismus 1024Neun von zehn jüdischen Menschen sind der Ansicht, dass in ihrem Land Antisemitismus zugenommen hat, 85 Prozent sehen ihn als ernstes Problem an. Einer von 20 Europäern hat noch nie vom Holocaust gehört. Um dies anzugehen, hat die EU-Kommission erstmals eine EU-Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens vorgelegt. Sie konzentriert sich auf drei Bereiche: Verhütung aller Formen von Antisemitismus, Schutz und Förderung jüdischen Lebens sowie Förderung von Forschung, Aufklärung und Gedenken an den Holocaust. „Heute verpflichten wir uns, jüdisches Leben in Europa in all seiner Vielfalt zu fördern. Wir wollen, dass im Herzen unserer Gemeinschaften wieder jüdisches Leben blüht. So sollte das auch sein. Die Strategie, die wir heute vorlegen, stellt einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise dar, wie wir auf Antisemitismus reagieren. Europa kann nur florieren, wenn seine jüdischen Gemeinschaften sich sicher fühlen und florieren“, so Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

In der Strategie werden Maßnahmen mit dem Ziel vorgeschlagen, zur Eindämmung von Antisemitismus im Internet die Zusammenarbeit mit Online-Unternehmen zu intensivieren, den öffentlichen Raum und Gebetsstätten besser zu schützen, ein europäisches Forschungszentrum für Antisemitismus in der heutigen Zeit einzurichten und ein Netz von Orten aufzubauen, an denen der Holocaust geschah. Diese Maßnahmen werden durch die internationalen Bemühungen der EU, im weltweiten Kampf gegen Antisemitismus eine Führungsrolle zu übernehmen, verstärkt.

Der für die Förderung unserer europäischen Lebensweise zuständige Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas betonte: „Antisemitismus ist mit den Werten der EU und mit unserer europäischen Lebensweise unvereinbar. Mit dieser Strategie – der ersten ihrer Art – verpflichten wir uns, ihn in all seinen Formen zu bekämpfen und eine Zukunft für jüdisches Leben in Europa und darüber hinaus zu gewährleisten. Wir sind es denen schuldig, die im Holocaust ums Leben gekommen sind, wir sind es den Überlebenden schuldig, und wir sind es künftigen Generationen schuldig.“

Auf dem Weg zu einer Europäischen Union ohne Antisemitismus

Die Strategie enthält Maßnahmen mit folgenden Schwerpunkten: 1) Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus, 2) Schutz und Förderung jüdischen Lebens in der EU und 3) Aufklärung, Forschung und Gedenken an den Holocaust. Diese Maßnahmen werden durch die internationalen Bemühungen der EU zur weltweiten Bekämpfung von Antisemitismus ergänzt.

Zu den zentralen Maßnahmen der Strategie gehören:

  • Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Antisemitismus: Neun von zehn Juden sind der Ansicht, dass in ihrem Land Antisemitismus zugenommen hat, 85 Prozent sehen ihn als ernstes Problem an. Um dies anzugehen, wird die Kommission EU-Mittel bereitstellen und die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung und Umsetzung ihrer nationalen Strategien unterstützen. Die Kommission wird den Aufbau eines europaweiten Netzes vertrauenswürdiger Hinweisgeber und jüdischer Organisationen unterstützen, um illegale Online-Hetze zu entfernen. Sie wird auch die Entwicklung von Narrativen unterstützen, die antisemitischen Online-Inhalten entgegenwirken. Die Kommission wird mit der Industrie und IT-Unternehmen zusammenarbeiten, um die illegale Darstellung und den illegalen Verkauf von Nazi-Symbolen, -Memorabilien und -Literatur im Internet zu verhindern.
  • Schutz und Förderung jüdischen Lebens in der EU: 38 Prozent der Juden haben eine Auswanderung in Erwägung gezogen, da sie sich als Juden in der EU nicht sicher fühlen. Um dafür zu sorgen, dass Juden sich sicher fühlen und uneingeschränkt am europäischen Leben teilnehmen können, wird die Kommission EU-Mittel bereitstellen, um den öffentlichen Raum und Gebetsstätten besser zu schützen. Für die nächste Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen, die 2022 veröffentlicht werden soll, werden 24 Mio. Euro bereitgestellt. Die Mitgliedstaaten werden zudem aufgefordert, die Unterstützung von Europol bei der Bekämpfung des Terrorismus sowohl online als auch offline in Anspruch zu nehmen. Um jüdisches Leben zu fördern, wird die Kommission Maßnahmen treffen, um jüdisches Erbe zu schützen und das Bewusstsein für jüdisches Leben, jüdische Kultur und jüdische Traditionen zu schärfen.
  • Aufklärung, Forschung und Gedenken an den Holocaust: Derzeit hat einer von 20 Europäern noch nie vom Holocaust gehört. Um die Erinnerung lebendig zu erhalten, wird die Kommission den Aufbau eines Netzes von Orten unterstützen, an denen der Holocaust geschah, die aber nicht immer bekannt sind, zum Beispiel Verstecke oder Erschießungsstätten. Die Kommission wird auch ein neues Netz Junger Europa-Botschafter unterstützen, um das Gedenken an den Holocaust wachzuhalten. Mit EU-Mitteln wird die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Forschungsgemeinschaft die Einrichtung eines europäischen Forschungszentrums für Antisemitismus und jüdisches Leben in der heutigen Zeit unterstützen. Um jüdisches Erbe herauszustellen, wird die Kommission Städte, die sich um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ bewerben, auffordern, sich mit der Geschichte ihrer Minderheiten, einschließlich der Geschichte der jüdischen Gemeinschaft, zu befassen.

Die EU wird alle verfügbaren Instrumente nutzen, um die Partnerländer dazu anzuhalten, Antisemitismus in der Nachbarschaft der EU und darüber hinaus zu bekämpfen, auch durch Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Sie wird sicherstellen, dass externe EU-Mittel nicht für Aktivitäten missbraucht werden dürfen, die Hass und Gewalt schüren, etwa gegen Juden. Die EU wird die Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel bei der Bekämpfung von Antisemitismus verstärken und die Wiederbelebung jüdischen Erbes weltweit fördern.

Die nächsten Schritte

Die Umsetzung der Strategie erstreckt sich über den Zeitraum 2021-2030. Die Kommission fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, die Strategie zu unterstützen, und wird 2024 und 2029 umfassende Umsetzungsberichte veröffentlichen. Die Mitgliedstaaten haben sich bereits verpflichtet, durch neue nationale Strategien oder Maßnahmen im Rahmen bestehender nationaler Strategien und/oder Aktionspläne zur Verhütung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Radikalisierung und gewaltbereitem Extremismus alle Formen von Antisemitismus zu verhüten und zu bekämpfen. Die nationalen Strategien sollten bis Ende 2022 festgelegt werden und werden dann von der Kommission bis Ende 2023 bewertet.

Hintergrund

Mit dieser Strategie bekennt sich die EU zu einer Zukunft für jüdisches Leben in Europa und darüber hinaus. Sie ist Ausdruck des politischen Engagements der Kommission für eine Europäische Union ohne Antisemitismus und jede Form von Diskriminierung, für eine offene, inklusive und gleichberechtigte Gesellschaft in der EU.

Im Anschluss an das Grundrechtekolloquium über Antisemitismus und antimuslimischen Hass ernannte die Kommission 2015 ihre erste Koordinatorin für die Bekämpfung von Antisemitismus und die Förderung des jüdischen Lebens. Im Juni 2017 verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung zur Bekämpfung von Antisemitismus. Im Dezember 2018 nahm der Rat eine Erklärung zur Bekämpfung von Antisemitismus an. Im Dezember 2019 wurde der Kampf gegen Antisemitismus Teil des Ressorts des für die Förderung unserer europäischen Lebensweise zuständigen Vizepräsidenten der Kommission, was die Absicht zum Ausdruck bringt, ihn als bereichsübergreifende Priorität anzugehen. Im Dezember 2020 nahm der Rat eine weitere Erklärung an, in deren Mittelpunkt die durchgängige Berücksichtigung der Bekämpfung von Antisemitismus in allen Politikbereichen stand.

Viele der Politikbereiche, die mit der Bekämpfung von Antisemitismus in Zusammenhang stehen, fallen in erster Linie in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die EU spielt jedoch eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Orientierungshilfen anzubieten, die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu koordinieren, die Umsetzung und Fortschritte zu beobachten, Unterstützung aus EU-Mitteln zu leisten und den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern. Zu diesem Zweck wird die Kommission ihre bestehende Ad-hoc- Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Antisemitismus zu einem ständigen Gremium machen, in dem die Mitgliedstaaten und jüdische Gemeinschaften zusammenkommen.

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