Sanizdat-Kulturen und die Krim-Krise
Im Rahmen der Vortragsreihe der Europäischen Horizonte "Europa, wie weiter?" war heute der Osteuropa-Experte Prof. Wolfgang Eichwede zu Gast in Aachen. Er ist emerierter Professor für Politik und Zeitgeschichte Osteuropas und hat an der Universität Bremen die Forschungsstelle Osteuropa gegründet. Für seine Verdienste zur Verständigung zwischen Ost und West wurde Eichwede u.a. mit dem ungarischen Staatspreis für Kultur, dem Bundesverdienstkreuz und dem Alexandr-Men-Preis ausgezeichnet. Auch diesem Vortrag folgten 65 interessierte Zuhörer.
Prof. Eichwede, der selbst viele Jahre in Russland gelebt und gearbeitet hat, beschäftigt sich vor allem mit den Samizdat-Kulturen, der Verbreitung nicht systemkonformer Literatur in der damaligen Sowjetunion, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn und der DDR. Durch das Abschreiben per Hand oder Schreibmaschine wurden alternative Schriften auf inoffiziellen Kanälen verbreitet.
Romane aus dem Osten haben aber auch die Literatur im Westen bestimmt, so Eichwede. Die Abgrenzung zwischen Ost und West habe zwar weiterhin Bestand gehabt, aber im Westen sei man neugierig gewesen. Politische Ereignisse aus dem Osten seien durch die Literatur dann auch hierzulande wahrgenommen worden.
Durch seine Beziehung und Freundschaft zu vielen hochrangigen Politikern, sowohl in Ost, als auch West, wusste Prof. Eichwede seinen Vortrag durch einige persönliche Anekdoten aufzulockern.
Zur aktuellen Situation in der Ukraine äußerte er sich folgendermaßen; das Jahr 2014 könne durchaus der Gegenpol zum Jahr 1989 werden. Grenzen dürften nur in Ausnahmefällen einseitig verändert werden, die auf der Krim nicht der Fall waren.
Seit Ende der '90er gab es in Russland unter Putin wirtschaftlichen Aufschwung. Den Russen ging es besser, Putin konnte seine Macht isolieren. Seitdem hält der, wie Eichwede es nennt, "moderne Nationalismus" in Russland Einzug. Nichtsdestotrotz, so Eichwede, könne er sich nicht vorstellen, dass Putin für Russland das gleiche Schicksal will wie für die UdSSR, das er riskieren würde, wenner militärisch gegen den Westen vorginge.
Nach einer Beurteilung der Sanktionen des Westens gefragt, nannte Prof. Eichwede sie "Kuschelsanktionen". Sie seien sehr harmlos. Im Umgang mit Russland sei es primär eine Frage der offenen Sprache. Man müsse den Russen klarmachen, "wenn du so spielst, spielen wir nicht mit".
Morgen Abend wird Prof. Claus Offe ab 19:00 Uhr einen Vortrag zum Thema "Europa in der Euro-Falle? Verlegt Rückwege, ungewisse Auswege" im HKW 5, dem Gebäude hinter dem Super C, halten.