Kommission legt konkrete Vorschläge für bessere Migrationssteuerung vor

Zwei Wochen nach Annahme der Europäischen Migrationsagenda hat die EU-Kommission erste konkrete Vorschläge zu ihrer Umsetzung vorgelegt.

Dazu zählen die Um- und Neuansiedlung von Flüchtlingen auf Grundlage eines Verteilungsschlüssels, eine öffentliche Konsultation zur Blue-Card-Richtlinie, ein Aktionsplan gegen Schlepper und Leitlinien zur Abnahme von Fingerabdrücken von ankommenden Flüchtlingen. Als Sofortmaßnahme schlägt die Kommission eine Notumsiedlung von 40.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland in andere EU-Mitgliedstaaten vor, Deutschland müsste davon in den nächsten zwei Jahren rund 8.700 Asylsuchende aufnehmen. Die Notumsiedlung kommt für schutzbedürftige Syrer und Eritreer in Frage. Der Kommissionsvorschlag muss nach Anhörung des Europäischen Parlaments vom Rat mit qualifizierter Mehrheit angenommen werden.

Der vorgeschlagene Verteilungsschlüssel trägt sowohl der Aufnahme- als auch der Integrationskapazität der Mitgliedstaaten Rechnung. Die beiden wichtigsten Indikatoren sind: 1) Bevölkerungsgröße (40 Prozent): Je größer die Bevölkerung desto leichter ist es für die Mitgliedstaaten, Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren. 2) Gesamt-BIP (40 Prozent): Bei großen Volkswirtschaften wird allgemein angenommen, dass sie einem größeren Migrationsdruck besser standhalten. Darüber hinaus gibt es zwei (umgekehrt proportionale) Berichtigungsfaktoren: Zahl der in den letzten fünf Jahren angenommenen Asylanträge und bereitgestellten Neuansiedlungsplätze (10 Prozent) und Arbeitslosenquote (10 Prozent). Je höher die Zahl der Asylanträge und je höher die Arbeitslosenquote desto weniger Personen muss ein Mitgliedstaat im Rahmen der Umsiedlung aufnehmen.

Deutschland wäre mit einer Quote von rund 21 Prozent das Land, das am meisten Flüchtlinge aus Italien bzw. Griechenland aufnehmen würde, gefolgt von Frankreich (17 Prozent) und Spanien (11 Prozent).

Außerdem hat die EU-Kommission vom neuen Einsatzplan für die Operation Triton Kenntnis genommen, auf den sich Frontex und Italien in enger Abstimmung mit den anderen beteiligten Mitgliedstaaten geeinigt haben: Der neue Einsatzplan für die erweiterte Gemeinsame Operation Triton enthält Angaben zu den bereitgestellten Mitteln (10 See-, 33 Land- und 8 Luftfahrzeuge sowie 121 Mitarbeiter). Das Einsatzgebiet wird nach Süden bis an die Grenze der maltesischen Seenot-Rettungszone ausgeweitet und entspricht damit dem Einsatzgebiet der früheren Operation Mare Nostrum.

Der Erste Vizepräsident, Frans Timmermans, erklärte zu den Vorschlägen: „Heute lässt die Kommission den Worten Taten folgen. Solidarität und Verantwortung gehen Hand in Hand. Deshalb enthalten unsere Vorschläge die nachdrückliche Forderung, dass das Asylrecht konsequent angewandt wird und die Mitgliedstaaten alles in ihrer Kraft Stehende unternehmen, um Missbräuche zu verhindern. Wer Schutz nötig hat, soll ihn in Europa erhalten. Wer aber keinen Anspruch auf Schutz hat, sollte rasch in sein Heimatland zurückgeführt werden. Dies ist für die gesellschaftliche Akzeptanz der Migrationspolitik unerlässlich.“

Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der Kommission, Federica Mogherini, erklärte: „Zwei Wochen nach Annahme unserer Agenda legen wir heute konkrete Vorschläge zu ihrer Umsetzung vor. Damit verfolgen wir vor allem ein Ziel: wir wollen schnell Leben retten und Schutzbedürftigen - unabhängig davon, ob sie sich auf hoher See, in der EU oder in Drittländern befinden - Schutz gewähren. Deshalb intensivieren wir die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern und jenen Ländern, die Flüchtlinge beherbergen, um die Asyl- und Aufnahmekapazitäten vor Ort zu verbessern und die Ursachen für Flucht und Migration - Armut, Krieg, Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen und Naturkatastrophen - an der Wurzel anzugehen.“

Dimitris Avramopoulos, EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, erklärte: „Mit den Umsiedlungs- und Neuansiedlungsmaßnahmen, der Ausweitung von Triton und Poseidon und dem Aktionsplan gegen Schlepper begegnen wir den dringlichsten Herausforderungen. Gleichzeitig leiten wir die öffentliche Konsultation über die Überprüfung der Blue-Card-Richtlinie ein, von der wir uns wertvolle Anregungen versprechen, wie wir dieses Instrument zu einer attraktiven Visitenkarte der Union im weltweiten Wettbewerb um Talente und Qualifikationen umgestalten können.“

Die Europäische Kommission schlägt mehrere konkrete Maßnahmen vor, um die Migrationsherausforderung zu meistern:

Umsiedlung: Aktivierung der Notfallklausel zugunsten Italiens und Griechenlands: Die Europäische Kommission macht erstmals von der Notfallklausel nach Artikel 78 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Gebrauch, um mittels Notumsiedlungen Italien und Griechenland zu helfen. Die Notumsiedlung kommt für Syrer und Eritreerin Frage, die internationalen Schutz benötigen und nach dem 15. April 2015 bzw. nach Aktivierung der Notfallklausel in Italien oder in Griechenland eintreffen. Insgesamt sollen in den nächsten zwei Jahren 40 000 Personen aus Italien und Griechenland auf der Grundlage eines Verteilungsschlüssels in andere EU-Mitgliedstaaten umgesiedelt werden. Dies entspricht etwa 40 Prozent aller Asylsuchenden, die 2014 in diese Länder eingereist sind und eindeutig internationalen Schutz benötigten. Die Kommission ist bereit, auch anderen Ländern - beispielsweise Malta - im Falle eines plötzlichen Migrantenzustroms beizustehen. Für jede in ihr Hoheitsgebiet umgesiedelte Person erhalten die Mitgliedstaaten eine Notumsiedlungsbeihilfe vom 6.000 Euro.
Neuansiedlung: Die Kommission hat eine Empfehlung angenommen, in der sie die Mitgliedstaaten ersucht, in den nächsten zwei Jahren 20 000 Menschen, die nach Feststellung des UNHCR eindeutig internationalen Schutz benötigen, auf der Grundlage eines Verteilungsschlüssels aufzunehmen und neu anzusiedeln. Mitgliedstaaten, die sich an der Neuansiedlung beteiligen, erhalten eine finanzielle Unterstützung. Die EU wird zu diesem Zweck im Zeitraum 2015-2016 50 Mio. Euro bereitstellen.
EU-Aktionsplan gegen Schlepper. Der Aktionsplan für die Jahre 2015 bis 2020 enthält konkrete Maßnahmen, wie Schleppern das Handwerk gelegt werden kann. Vorgesehen sind die Aufstellung einer Liste verdächtiger Schiffe, spezielle Plattformen für eine engere Zusammenarbeit und einen besseren Informationsaustausch mit Finanzinstituten, sowie eine Kooperation mit Anbietern von Internetdiensten und sozialen Medien, damit Internetinhalte, die von Schleppern für Werbezwecke genutzt werden, rasch aufgedeckt und entfernt werden können.
Best Practice zur Abnahme von Fingerabdrücken: Damit das Gemeinsame Asylsystem der EU funktionieren kann, müssen von den Migranten bei ihrer Ankunft systematisch Fingerabdrücke genommen werden. Die Kommission hat Leitlinien für die Mitgliedstaaten herausgegeben, in denen dargelegt wird, wie bei der Abnahme der Fingerabdrücke von Neuankömmlingen, die internationalen Schutz beantragen, am besten zu verfahren ist. Sondereinsatzgruppen von EASO, Frontex und Europol sollen vor Ort bei der raschen Identifizierung, Registrierung und erkennungsdienstlichen Behandlung von Neuankömmlingen und der Prüfung ihrer Schutzbedürftigkeit helfen.
Öffentliche Konsultation zur Blue-Card-Richtlinie: Die Kommission möchte die bestehende Blue-Card-Regelung verbessern, die hochqualifizierten Arbeitskräften die Zuwanderung und Arbeitsaufnahme in der EU erleichtern soll, derzeit aber kaum in Anspruch genommen wird. Alle Beteiligten (Migranten, Arbeitgeber, Behörden, Gewerkschaften, NRO, Arbeitsämter usw.) sind aufgefordert, sich zur Blue-Card zu äußern und Verbesserungsvorschläge zu machen.