Die EU-Kommission und das Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) haben den Online-Marktplatz Temu dazu aufgefordert, seine Verkaufspraktiken in Einklang mit dem EU-Verbraucherrecht zu bringen. Eine gemeinsame Untersuchung von EU-Kommission, dem deutschen Umweltbundesamt sowie den nationalen Verbraucherbehörden Belgiens und Irlands hat eine Reihe von Praktiken festgestellt, die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Irre führen oder ihre Kaufentscheidungen unangemessen beeinflussen können. Temu steht nach wie vor unter Beobachtung und muss dem CPC-Netz weitere Informationen übermitteln.
Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová, Vizepräsidentin für Werte und Transparenz, betonte: „Die Verbrauchersicherheit in der EU ist eine Priorität der Kommission. Unsere Verbraucherschutzstandards sind also nicht verhandelbar. Das Engagement und die koordinierten Anstrengungen der nationalen Behörden spielen eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung eines fairen und sicheren Markts für alle. Wir haben heute Temu unsere Bedenken mitgeteilt und das Unternehmen nachdrücklich aufgefordert, seine Praktiken unverzüglich und in vollem Umfang mit den EU-Verbraucherschutzvorschriften in Einklang zu bringen.“
Irreführende Informationen, Ausübung von Druck, gefälschte Bewertungen und falsche Rabatte
Die vom CPC-Netz ermittelten problematischen und gegen EU-Verbraucherschutzvorschriften verstoßenden Praktiken von Temu umfassen Folgendes:
- Falsche Rabattaktionen: Es wird der Eindruck erweckt, dass Produkte mit einem Nachlass angeboten werden, obwohl dies nicht der Fall ist.
- Ausübung von Druck: Es wird der Eindruck vermittelt, dass Produkte nur begrenzt oder für kurze Zeit verfügbar sind, wodurch für Verbraucherinnen und Verbraucher Kaufdruck entsteht.
- Erzwungene Spielifizierung: Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden gezwungen, ein Glücksrad zu drehen, um auf den Online-Marktplatz zuzugreifen. Dabei werden wesentliche Informationen über die Nutzungsbedingungen im Zusammenhang mit den Gewinnen des Spiels verborgen.
- Fehlende und irreführende Informationen: Es werden unvollständige und falsche Informationen über den Rechtsanspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Rücksendungen und Erstattungen vermittelt. Temu informiert die Verbraucherinnen und Verbraucher auch nicht im Voraus, dass für den Kaufabschluss ein bestimmter Mindestwert erreicht werden muss.
- Gefälschte Bewertungen: Es werden unzureichende Informationen darüber bereitgestellt, wie die Authentizität der auf Temu veröffentlichten Bewertungen sichergestellt wird. Die nationalen Behörden hielten manche Bewertungen für unecht.
- Versteckte Kontaktangaben: Verbraucherinnen und Verbraucher können sich bei Fragen oder Beschwerden nicht ohne Weiteres an Temu wenden.
Darüber hinaus ersuchte das CPC-Netz Temu um Informationen, um zu bewerten, ob das Unternehmen weitere Verpflichtungen aus dem EU-Verbraucherrecht erfüllt, wie die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher, ob der Verkäufer eines Produkts ein Unternehmen ist oder nicht. Überdies soll gewährleistet sein, dass die Präsentation von Produktrankings, Bewertungen und Ratings nicht irreführend ist, Preisnachlässe korrekt angezeigt und berechnet werden und Angaben zu Umwelteinflüssen richtig und begründet sind.
Paralleles DSA-Verfahren gegen Temu
In der vergangenen Woche leitete die Kommission im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste ein förmliches Verfahren gegen Temu ein. Solche Verfahren und die gemeinsamen Durchsetzungsmaßnahmen des CPC-Netzes ergänzen einander und sollen ein sicheres und vertrauenswürdiges Online-Umfeld gewährleisten, in dem die Verbraucherrechte in Europa umfassend geschützt sind.
Neue Verpflichtungen gemäß der Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit
Im Sinne der am 13. Dezember in Kraft tretenden Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit muss es einen in der EU niedergelassenen Wirtschaftsakteur geben, der dafür verantwortlich ist, die Einhaltung der Produktsicherheitsanforderungen sicherzustellen. Dazu gehören auch spezifische Verpflichtungen für auf Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtete Online-Marktplätze. Gemäß der genannten Verordnung können die nationalen Marktüberwachungsbehörden anordnen, dass von ihnen als unsicher eingestufte Produkte aus dem Internet entfernt werden. Diese Verpflichtungen ergänzen das Gesetz über digitale Dienste.
Nächste Schritte
Temu hat nun einen Monat Zeit, um auf die Ergebnisse der Untersuchung durch das CPC-Netz zu antworten und darzulegen, wie es die ermittelten verbraucherrechtlichen Probleme beheben will. Je nach Antwort von Temu kann das CPC-Netz einen Dialog mit dem Unternehmen aufnehmen. Sollte Temu die vom CPC-Netz geäußerten Bedenken nicht ausräumen, können die nationalen Behörden Durchsetzungsmaßnahmen ergreifen, um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen. Beispielsweise könnten Geldbußen auf der Grundlage des Jahresumsatzes von Temu in den betreffenden Mitgliedstaaten verhängt werden. Dies gilt unbeschadet der Befugnis der nationalen Behörden, in laufenden Verfahren Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen.
Hintergrundinformationen
Im Rahmen der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz bilden die nationalen Verbraucherschutzbehörden der 27 EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegens und Islands gemeinsam das CPC-Netz, welches grenzüberschreitende Verstöße ermittelt und die EU-Verbraucherschutzvorschriften durchsetzt. Die Europäische Kommission erleichtert und koordiniert gegebenenfalls solche gemeinsamen Untersuchungs- und Durchsetzungsmaßnahmen.
Die verbraucherrechtlichen Verpflichtungen, die das CPC-Netz gegenüber Temu geltend macht, finden sich in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, der Richtlinie über Preisangaben, der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und der Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln.
Temu wurde am 31. Mai 2024 gemäß dem Gesetz über digitale Dienste als sehr große Online-Plattform eingestuft. Temu hatte nach seiner Einstufung vier Monate Zeit, den strengeren Verpflichtungen nachzukommen, die für sehr große Online-Plattformen gelten. Dazu gehört die Verpflichtung, systemische Risiken, die sich aus seinen Diensten ergeben, ordnungsgemäß zu bewerten und zu mindern. Im Anschluss an eine Voruntersuchung leitete die Kommission am 31. Oktober 2024 ein förmliches Verfahren ein, um zu prüfen, ob Temu möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat. Dabei geht es um die Bewertung, das Management und die Minderung von Risiken, die Transparenz von Empfehlungssystemen und den Datenzugang für Forschende.
Die koordinierte Maßnahme des CPC-Netzes gegen Temu lässt laufende Verfahren der nationalen Behörden unberührt. Bislang haben die ungarische Wettbewerbsbehörde, das polnische Amt für Wettbewerb und Verbraucherschutz und die französische Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherfragen und Betrugsbekämpfung nationale Verfahren im Zusammenhang mit den Geschäftspraktiken von Temu angekündigt. Ebenso wenig berührt sie Verfahren, die die Europäische Kommission im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste eingeleitet hat oder in Zukunft einleiten könnte. Darüber hinaus schließt die koordinierte Maßnahme weder laufende noch künftige Durchsetzungsmaßnahmen der Marktüberwachungsbehörden im Rahmen des Produktsicherheitsrechts aus.
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