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EU-Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein

Das Bundesverfassungsgericht hat nach Auffassung der EU-Kommission bei seinem Urteil zum Anleihenkaufprogramm der EZB einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Rechtswirkung in Deutschland abgesprochen und somit gegen den Grundsatz des Vorrangs des EU-Rechts verstoßen. Weil Deutschland damit gegen die Grundprinzipien des EU-Rechts verstößt, insbesondere die Grundsätze der Autonomie, des Vorrangs, der Wirksamkeit und der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts, hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wurden im Bereich der Umwelt-, Energie-, Sicherheits-, Arbeitsschutz-und Steuerpolitik eingeleitet bzw. verschärft.

Waage 300Am 5. Mai 2020 hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zum Programm zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors an den Sekundärmärkten der Europäischen Zentralbank (EZB) befunden, dass dieses Programm „ultra vires“ sei und nicht in den Zuständigkeitsbereich der EZB falle. In demselben Urteil stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass ein Urteil des Gerichtshofs (Rechtssache Heinrich Weis u. a.) „ultra vires“ ergangen sei, ohne die Angelegenheit zurück an den Gerichtshof zu verweisen. Damit sprach das Bundesverfassungsgericht einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Rechtswirkung in Deutschland ab und verstieß somit gegen den Grundsatz des Vorrangs des EU-Rechts. Aus diesem Grund wird das Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Mit Beschluss vom 29. April 2021 verwarf das Bundesverfassungsgericht zwei Vollstreckungsanträge zu seinem Urteil vom 5. Mai 2020. Mit diesem Beschluss vom 29. April 2021 wird jedoch der Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs des EU-Rechts nicht aufgehoben.

Nach Ansicht der Kommission stellt das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts einen ernstzunehmenden Präzedenzfall sowohl für die künftige Praxis des Gerichts selbst als auch für die Verfassungsgerichte anderer Mitgliedstaaten dar. „Dies könnte die Integrität des Unionsrechts gefährden und den Weg für ein Europa ,à la carte‘ öffnen. Die Europäische Union ist und bleibt eine Rechtsgemeinschaft, das letzte Wort zum EU-Recht wird immer in Luxemburg gesprochen“, sagte ein Kommissionssprecher dazu in Brüssel. Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, um zu den Beanstandungen der Kommission Stellung zu nehmen.

Weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland:

  • Umweltverträglichkeitsprüfung: Kommission fordert Deutschland auf, bei der Genehmigung von Verkehrsinfrastrukturprojekten den Zugang zu Gerichten sicherzustellen
  • Artenvielfalt: Kommission fordert Deutschland auf, die Umwelt vor invasiven gebietsfremden Arten zu schützen
  • Terrorismusbekämpfung: Kommission fordert Deutschland auf, für die korrekte Umsetzung der EU-Vorschriften zur Terrorismusbekämpfung Sorge zu tragen
  • Grundlegende Sicherheitsnormen: Kommission fordert Deutschland zur Umsetzung der EU-Strahlenschutzvorschriften auf
  • Arbeitsschutz: Kommission fordert von Deutschland Klarstellungen bezüglich seiner Rechtsvorschriften zur Umsetzung der EU-Arbeitsschutzvorschriften für Baustellen
  • Steuern: Kommission fordert Deutschland auf, alle Maßnahmen zur Umsetzung der Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts und zu hybriden Gestaltungen mit Drittländern zu übermitteln
  • Europäische Schulen: Kommission fordert Deutschland auf, Entsprechungstabellen für das Europäische Abitur gemäß der Vereinbarung über die Europäischen Schulen zu erstellen

Mehr Informationen zu den weiteren Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland finden Sie unter diesem Link.

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